Abschrift aus dem I. Protokollbuch
über die Sitzungen und Verhandlungen des – durch Aufruf von der Kanzel – Sonntag, den 10. November 1929 gegründeten
Kirchgemeindeverein Kleinhüningen
durch Herrn Pfr. Dr. Eduard Borel im Auftrag des Kirchenvorstandes.
[Im Buch ist hier die Einladung zur Gründungsversammlung am Montag, 25. November 1929, abends 8. 15 Uhr, eingeklebt – siehe Bild]
1. Protokoll der Gründungsversammlung:
Montag, den 25. November 1929, 20.15 Uhr
in der Aula der Inselschule.
Traktanden:
Mitteilungen über die Vorarbeiten zum Bau eines Gemeindehauses.
Herr Pfarrer Dr. E. Borel begrüsst die ca. 170 anwesenden Kirchgemeindeglieder von Kleinhüningen herzlich und freut sich des zahleichen Besuches. Durch die Verkündigung von der Kanzel wurde der Zweck dieses neuen Vereins bereits klar gelegt, doch sollen auch in dieser Versammlung die Gründe nochmals genannt werden, die dem Kirchenvorstand von Kleinhüningen Veranlassung gaben, die Gründung eines Kirchgemeinde-Vereins an die Hand zu nehmen. Wohl bedeutet ein neuer Verein für einzelne Mitglieder wieder eine neue Arbeitsbelastung und für alle Mitglieder neue Ausgaben, und gewiss hätte es der Kirchenvorstand in dieser Zeit der Vereinsmüdigkeit nicht gewagt, der Eingabe von Fräulein Alice Staenz Gehör zu schenken, ihren Vorschlag zu seinem zu machen und damit vor die Gemeindeglieder zu treten, wenn er nicht von der dringenden Notwendigkeit eines solchen Zusammenschlusses der Kirchgenossen überzeugt gewesen wäre. Auch der Sprechende (Pfr. Eduard Borel) selbst möchte sich als Grund voranschieben, dass ein solcher Verein mit Versammlungsmöglichkeiten nötig ist, denn als neuer Pfarrer hat er noch nicht solch engen Kontakt mit der Gemeinde, wie ihn sich sein Vorgänger in den 25 Amtsjahren bilden konnte durch die Ausübung der seelsorgerischen Funktionen, wie Trauungen, Taufen, Kinderlehre, Konfirmation, Trauerfälle und Beerdigungen. Vor allem hat die Gemeinde in den letzten Jahren als Wohngemeinde sehr zugenommen, sodass ein rasches „Sich-hineinwachsen“ sehr schwierig ist bei den ca. 4‘000 Seelen. Berechnet man nach den 1‘400 Empfängern des Gemeindeboten jede Familie nur mit 3 Personen, so übersteigt die reformierte Bevölkerung die Zahl von 4‘000. Herr Pfr. Pettermand wuchs seiner Zeit durch die verschiedenen Vereine in alle Bevölkerungskreise hinein, und nun muss der neue Pfarrer für sich auch etwas zu finden suchen, durch das er ausserhalb der sonntäglichen Predigt und Kinderlehre und der pfarramtlichen Funktionen rascher mit der Grosszahl der Gemeindeglieder zum Gedankenaustausch und zu persönlichem Verkehr kommt, als dies nur durch die von der knappen freien Zeit beschränkten Besuche in den Familien möglich ist. Deshalb ist auch seine Freude eine aufrichtig grosse, dass sich schon auf den ersten Aufruf hin in diesen 2 Wochen ca. 250 Mitglieder in den Kirchgemeindeverein angemeldet haben.
Der Verein legt mit einem Jahresbeitrag von frs 2.-- keine grossen Verpflichtungen auf, aber für den neuen Pfarrer wird er den gewünschten, sehr nötigen und wichtigen Kontakt mit den Gemeindegliedern bringen.
Als im letzten Frühjahr das grosse Reformationsfest gefeiert wurde, da sollte auch der Kirchenvorstand seine Kirchgemeindeglieder zusammenrufen, um die Organisation an die Hand zu nehmen, Beiträge zu sammeln und zu leisten u.a.m.; allein das alles liess sich nur mühsam vornehmen, da das Organ, eben der Kirchgemeindeverein, fehlte.
Haben wir aber einen solchen, so ist es eine Leichtigkeit, die sich religiöse Fragen interessierenden Mitglieder zu Besprechungen einzuberufen, denn auf der Kanzel können solch wichtige Fragen, wie z.B. „die Trennung von Kirche und Staat“ nicht in gleicher Weise behandelt werden, wie es in öffentlichen Diskussionsabenden möglich und nötig wäre. Für solche Veranstaltungen, die wir dann gerne von einigen Hundert Gemeindegliedern besucht sehen möchten, fehlen uns die geeigneten Lokalitäten. Deshalb ist für den Kirchgemeindeverein eine grosse, schöne Aufgabe bereit, nämlich sofort die nötigen Vorbereitungen für den Bau eines Gemeindehauses zu treffen.
Wohl stellen sich die Mitglieder der Synode: Herr Pfr. Pettermand, Herr Hans Sieber und Frl. Alice Staenz zur Hilfsbereitschaft zur Verfügung, allein es ist absolut nötig, dass daneben noch einige Persönlichkeiten gewonnen werden, die durch ihre Kraft und Autorität bei der Behörde einen gewissen Einfluss haben. Eine erste, nur vom Diener der Kirche im Sommer gemachte Eingabe fand kein Gehör, aber den steuerpflichtigen Laien gegenüber wird die kirchliche Behörde entgegenkommen müssen. Und wenn nun hinter dem – heute Abend noch wählenden – Vorstand eine grosse Zahl von Mitgliedern steht, so muss die Eingabe ihren Zweck erreichen. Das ist die bestimmte Hoffnung derjenigen, welche diese zweite Eingabe verfasst haben, der Sprechende und Frl. Alice Staenz.
Herr Pfarrer Borel erbittet sich nun von den Anwesenden die Zustimmung, den Entwurf zu einer solchen Eingabe an den Kirchenrat und die Mitglieder der Kirchensynode vorlesen zu dürfen. Eine solche Eingabe musste recht gründlich ausgeführt werden in Anbetracht der verschiedenen Bedürfnisse, denen in der jetzigen Zeit ein solches Gemeindehaus dienen soll.
Einwendungen und Änderungen, wie auch neue Vorschläge unter andern Gesichtspunkten können und sollen von den Anwesenden selbstverständlich gemacht werden, diese Vorlage ist, obwohl schon im Probedruck, nur ein Entwurf. Immerhin darf keine lange Verzögerung aus neuen Anträgen erfolgen, da die Eingabe bis Ende November beim Kirchenrat liegen sollte zur eventuellen sofortigen Beratung und baldigen Weiterleitung an die Kirchensynode vom 18ten Dezember 1929.
Es folgt die Verlesung dieser Eingabe durch Herrn Pfarrer Dr. E. Borel.
[Im Buch ist hier der Antrag an den Kirchenrat für das gewünschte Kirchgemeindehaus in Kleinhüningen eingeklebt – siehe Bild]
Der Antrag wurde von den nachstehen aufgeführten Personen unterzeichnet
im Namen und Auftrag des Kirchenvorstandes Kleinhüningen:
Der Präsident: Ed. Borel, Pfarrer
Der Aktuar: Alb. Bertschinger-Gut
Die Vertreter der Gemeinde Kleinhüningen in der Kirchen-Synode:
Pfr. A. C. Pettermand
Hans Sieber-Trefzer
Alice Staenz
Der Vorstand des Kirch-Gemeinde-Vereins Kleinhüningen:
Präsident: August Schetty-Strübin
Vize-Präsident: Ed. Borel, Pfarrer
Kassier: Emil Gempp-Graf
Aktuarin I: Alice Staenz
Aktuarin II: Elisabeth Greiner
Besitzerinnen: Frau E. Clavel-Merian
Frau Dr. H. Dietrich-Müller
Beisitzer: Ing. Rudolf Steiger-Emch
Max Steyer-Lang]
Diskussion:
Trotz wiederholter Aufforderung zu der Vorlage zu sprechen, meldet sich niemand zum Worte.
Darauf erklärt Herr Pfr. Borel eingehend, dass der Vorstand nicht aus Zufälligkeitswahlen zusammengesetzt werden dürfte, sondern dass für jede Funktion die sich dafür eignenden Persönlichkeiten ausgesucht und um ihre Mithilfe gebeten worden seien, sodass er nun in der glücklichen Lage sei, der Versammlung diese Nominationen zur Wahl zu empfehlen; falls sie belieben, vorläufig für die Dauer von 2 Jahren.
Die genauen Statuten sollen für eine zweite Versammlung vorbereitet werden, zur evtl. Genehmigung oder Abänderung.
Herr Pfr. Borel bittet nun die Versammlung herzlich, dem Kirchenvorstand, den drei Synodalen und ihm den Rücken zu schützen und dem vorgelesenen Entwurf die Zustimmung zu geben. Vor der Abstimmung frägt er nochmals an, ob jemand eine Anfrage stellen möchte, er werde gerne Auskunft geben.
Wörtlich nach dem Stenogramm ermuntert er die Anwesenden, „nur so zu reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist.“
Niemand meldet sich zu einer Frage oder Widerrede.
In der Abstimmung wird der Entwurf mit 155 Stimmen gutgeheissen und dessen Zustellung an den Kirchenrat und die Mitglieder der Synode genehmigt.
Zu Beginn des Abends hatte sich die Versammlung stillschweigend damit einverstanden erklärt, zuerst die Mitteilungen über die Vorarbeiten zum Bau eines Gemeindehauses anzuhören und erst daran anschliessend den Vorstand zu bestellen und die Vorschläge des Kirchenvorstandes zu vernehmen.
Zur Wahl des Vorstandes:
Herr Pfr. Borel referiert nochmals eingehend über die wichtige Arbeit, die dem Vorstand in nächster Zeit obliege, sodass der Kirchenvorstand bestimmte Rücksichten habe walten lassen müssen, und deshalb froh und dankbar sei, der Versammlung die folgenden Nominationen zur Wahl vorschlagen zu dürfen:
Präsident: Herr August Schetty-Strübin
Vizepräsident: Herr Pfarrer Dr. E. Borel
Kassier: Herr Emil Gempp-Graf
Aktuarin I: Frl. Alice Staenz
- für Protokolle und Eingaben
Aktuarin II: Frl. Elisabeth Greiner
- für den Einzug der Mitgliederbeiträge, Führung des Mitgliederverzeichnisses etc.
Beisitzerinnen: Frau E. Clavel-Merian, zur Zeit abwesend, Zusage vorbehalten
Frau Dr. W. Dietrich-Müller
Beisitzer: Herr Ing. R. Steiger-Emch
Herr Max Steyer-Lang
Anfrage: Werden zu den genannten Vorschlägen noch andere gemacht?
Es erfolgt kein Vorschlag.
Abstimmung: Wer den Vorgeschlagenen seine Stimme geben will, bezeuge es durch Handerheben. Herr Pfarrer Borel constatiert Einstimmigkeit, also wie bei der ersten Abstimmung ca. 155 Stimmen.
Frage: Wer ist dagegen?
Es zeigt sich keine einzige Hand.
Es wird der Wunsche gerufen, jetzt schon 2 Rechnungsrevisoren zu wählen. Vorgeschlagen werden:
Herr Jakob Kaufmann-Lauer und
Herr Christian Pfleiderer-Hermann
Nachdem Herr Kaufmann zuerst bestimmt eine Wahl ablehnt, lässt er sich schliesslich doch überreden, das nicht sehr zeitraubende Amt anzunehmen.
Abstimmung: Gewählt werden von der Versammlung die Herren Kaufmann-Lauer und C. Pfleiderer-Hermann zu Rechnungsrevisoren.
Herr Pfarer Borel führt noch folgendes aus:
Grundlegend zur Ausarbeitung der Statuten sollen folgende Gesichtspunkte sein:
Herr Pfleiderer hofft, im Namen aller Anwesenden zu sprechen, wenn er Herrn Pfr. Borel und dem Kirchenvorstand den herzlichsten Dank für die in so kurzer Zeit geleistete, riesige Arbeit ausspricht.
Mit Begeisterung ruft er:
„Erheben Sie sich von den Sitzen, um diesen Dank zu bezeugen!“
Wir freuen uns wohl alle, dass die heutige Versammlung mit dieser Einstimmigkeit ihren Willen kundgegeben hat!
Auch Herr Pfr. Borel spricht für sich und den Kirchenvorstand die Freude aus, ob dieser einmütigen Willenskundgebung, mit der die Gemeindemitglieder ihnen künftig zur Seite stehen wollen, sie wird dem Seelsorger und dem Kichenvorstand zur Weiterarbeit Mut und Kraft geben!
Zum Schlusse frägt Herr Pfr. Borel nochmals, ob er noch jemandem das Wort geben dürfe.
Da niemand mehr etwas zu reden wünscht, schliesst er diese erste Versammlung des neu gegründeten
Kirchgemeinde-Vereins Kleinhüningen
mit dem herzlichsten Danke ab alle Anwesenden für das Ausharren bis 10 Uhr und den besten Gute-Nacht-Wünschen.
Für getreuen Auszug aus dem Stenogramm die I. Aktuarin Alice Staenz
N.B.: Das Protokoll über diese Gründungsversammlung wurde mit Absicht etwas ausführlicher geschrieben. A.S.
Die Abschrift des Gründungsprotokolls vom 25.11.1929 erfolgte wortgetreu am 11. April 2014 durch die Präsidentin des Kirchgemeinde-Vereins Kleinhüningen Maria Anna Schulter-von Mühlenen
Neueste Kommentare
23.10 | 21:08
Sehr gärn gscheh!
23.10 | 16:18
Lieber Christoph Härzlige Dank, das han i leider gar nit gmerkt.... Zum ...
23.10 | 15:15
Achtung Titel: da steht noch 2013, freundl. Grüsse Christoph Nidecker